Keine Chance gegen Polizeiübergriffe?
Du hast keine Chance gegen die Polizei in diesem Land, die Regierung
deckt sie. Und in den Medien, auch wenn sie nicht gesteuert sind und Tatsachen
verzerren, hat eine einzelne Stimme wenig Gewicht, besonders wenn sie von
einem Afrikaner kommt. (Obiora Ofoedu "Morgengrauen")
Wann werden PolitikerInnen damit aufhören, einerseits Gesetze zu
beschließen, die Zuwanderer massiv diskriminieren, um andererseits von
den so Ausgegrenzten ständig ein Bekenntnis zu Österreich zu verlangen?
Die MigrantInnen haben sowohl die Ausgrenzung als auch den als Integrationsforderung
kaschierten Assimilationsdruck satt. Wir fordern ein Ende der scheinheiligen
Toleranz-Politik und wollen statt geduldeter Mit-BürgerInnen
gleichberechtigte BürgerInnen dieses Landes sein. (Alev Korun,
Die Bunte (Zeitung) 1/2000)
Die Aufbruchsstimmung des Frühjahrs 1999, die die MigrantInnen-Community
mobilisierte, welche zu mehreren Demonstrationen gegen rassistische Polizeiübergriffe
aufrief, fiel mit der Tötung von Marcus Omofuma in sich zusammen.
Marcus Omofuma wurde am 1. Mai bei seiner Abschiebung von den begleitenden
Beamten so gefesselt und mit Klebeband traktiert, daß er starb.
Niemand mußte sich dafür verantworten. Im Gegenteil, rechte bis
rechtsextreme Medien, allen voran die KronenZeitung, das meistgelesene
österreichische Boulevardblatt, starteten gemeinsam mit der FPÖ
eine Hetzkampagne gegen afrikanische und insbesondere nigerianische BürgerInnen,
die allesamt als DrogendealerInnen diffamiert wurden.
Das SPÖ-Innenministerium entwarf in Übereinstimmung mit der FPÖ
das Szenario eines nigerianischen Drogenkartell (die Mörder
unserer Kinder, so Haider) und begann wenige Wochen nach Marcus Omofumas
Tod die Operation Spring: In ganz Österreich wurden Razzien
gegen AfrikanerInnen durchgeführt, zum Teil in Asylheimen, mit dem Ziel,
das Kartell zu zerschlagen. Bis heute dauern die von rassistischen
Äußerungen begleiteten Prozesse an. Nachdem der Kurzschluß
AfrikanerIn = DrogendealerIn hergestellt war, kam es zu einer breiten Entsolidarisierung.
Die Grünen und andere bürgerliche Menschenrechtsorganisationen distanzierten
sich scharf von den Opfern der Razzien. Die Grünen kritisierten lediglich,
die FPÖ sei 'zu früh' (gemeint war das am Tag vor der Operation
Spring veröffentlichte FPÖ-Inserat in der KronenZeitung:
Machtlos gegen 1.000 Nigerianer) mit Informationen über die
Anti-Drogen-Aktion an die Öffentlichkeit gegangen und habe damit den
Erfolg der Razzien gefährdet. Terezija Stoisits, grüne Abgeordnete,
die auf einer der Demonstrationen gegen die Ermordung Omofumas mit dem im
Rahmen der Operation Spring verhafteten angeblichen Drogenboß
Charles O. gesichtet worden war, stellte fest, daß die Staatspolizei
seit Wochen vermutet, daß sich in meiner Nähe ein Big Boß
der Drogendealer aufgehalten hat. Und keiner der Sicherheitsbehörden
warnt mich oder macht mich aufmerksam. Dabei war ich offensichtlich gefährdet
... Offensichtlich wurden wir benutzt. Offensichtlich hat Charles O. - wenn
sich die Verdachtsmomente bestätigen - sein Engagement als gezielte Tarnung
verwendet und sich in die Menschenrechtsbewegung eingeschleust. Um so mehr
bin ich erschüttert, mit welcher Perfidie diese Organisationen vorgehen.
Die wahre Geschichte des angeblichen Drogenbosses kann inzwischen
im autobiografischen Bericht Morgengrauen von Obiora C-ik Ofoedu
nachgelesen werden.
Dieser Bruch in der antirassistischen Solidarität wirkt bis heute, wie
die African Community feststellen mußte. Der von FPÖ-Anhängern
stark durchsetzte Polizeiapparat konnte darauf aufbauend weitere Maßnahmen
durchsetzen. Am 17. Januar 2000 führte die Polizei eine Drogenrazzia
im Flüchtlingslager Traiskirchen durch, durchwühlte vorwiegend von
AfrikanerInnen bewohnte Räume, für die sie keinen Durchsuchungsbefehl
hatte, fesselte mehr als 30 Personen stundenlang und führte vor aller
Augen mit ein und demselben Handschuh Anal- und Vaginaluntersuchungen durch.
Der Wiener Polizeipräsident Stiedl nannte das Eigensicherung der
Beamten. Drogen wurden nur in geringen Mengen gefunden.
Am 8. März überfiel die Polizei in Wien eine AusländerInnenberatungsstelle
während der Beratungszeit und verhaftete mehrere AfrikanerInnen. Zwei
von ihnen befanden sich danach einen Monat lang in Abschiebehaft und wurden
erst nach einem Hungerstreik freigelassen. Diesen Überfall legitimierte
eine anonyme Anzeige, die von einem mit einer Schußwaffe hantierenden
Mann sprach. Doch weder die Schußwaffe noch der vermeintlich damit Hantierende
waren in der Beratungsstelle zu finden.
Allein im Mai 2000 forderte der staatliche Rassismus drei Todesopfer. Ein
Slowake starb im Polizeigefängnis, der Asylwerber Richard Ibekwe starb
im Jugendgefängnis, der 5jährige Hamid S. aus Afghanistan starb
als Flüchtling in Bundesbetreuung, alle drei an nicht erfolgter oder
nur schlampig erfolgter medizinischer Betreuung. Die ersten beiden waren als
Drogendealer klassifiziert worden, Hamid S. wurde das Opfer eines Systems,
das Flüchtlinge dazu bringen will, das Land von selbst wieder zu verlassen.
Die Hemmschwelle, um sich bewußt nicht um das Leben eines anderen zu
sorgen, für den man in diesen Fällen als Polizist, Justizwachebeamter
und Ärztin verantwortlich war, scheint erschreckend niedrig oder gar
nicht mehr vorhanden zu sein. Die unmittelbaren TäterInnen in diesen
Fällen können sich aber normalerweise sicher fühlen, denn solche
Todesfälle kommen kaum jemals an die Öffentlichkeit.
Auch der Tod von Marcus Omofuma wurde nur bekannt, weil Omofuma in Bulgarien
tot ankam und die dortigen Behörden Untersuchungen anstellten.
Noch ein vierter Todesfall kam diesen Monat dazu: Der des Drogenhandels verdächtige
Wiener Imre B. wurde vom Polizisten der Sondereinheit SEK erschossen, obwohl
Imre B. unbewaffnet war und sich der Verdacht des Drogenhandels nicht bestätigte.
Die Klassifizierung als Drogenhändler, die seit über einem Jahr
vor allem Menschen mit schwarzer Hautfarbe betrifft, ist in Österreich
zum Garant für folgenlose Übergriffe seitens der Polizei geworden,
nun sogar für folgenloses Töten oder Sterbenlassen. Auch hier war
es die FPÖ, die politische Schützen-Hilfe leistete,
ihre unverhüllte Wahlkampfdrohung Keine Gnade für Drogenhändler!
wurde von einem SPÖ- und nun einem ÖVP-Innenminister wahr gemacht.
Es wäre allerdings verfehlt zu glauben, das blau-schwarze Migrationsregime
unterscheide sich fundamental von seinem Vorgänger. Tatsächlich
gibt es kaum einen FPÖ-Vorschlag zur Eindämmung der Überfremdung,
der nicht von der sozialdemokratisch geführten Koalition umgesetzt worden
wäre. Die bürgerliche Linke genügt sich dagegen in Appellen
an den Staat und gegen den staatlichen Rassismus und vergißt die massenhafte
Verbreitung von Rassismus und Antisemitismus in Österreich.
Die Erfahrungen der Betroffenen werden offensichtlich nicht berücksichtigt,
wenn Parolen wie Wir sind das Volk bei den Anti-Regierungs-Demonstrationen
auftauchen.
In einem kürzlich auf der Website illegalisiert.at erschienen Beitrag
zur Diskussion zwischen African Community und SOS-Mitmensch schreibt Ljubomir
Bratic: Antirassismus wird nicht ohne die Betroffenen gemacht.
(...) In antirassistischen Auseinandersetzungen entscheiden nicht die Größe
der NGOs, ihre korporatistischen Schlagpotentiale, sondern allein die Abnahme
der rassistischen Überfälle. Und diese sind im exponentiellen Steigen,
falls ich mich nicht irre: Dies trotz der Lichtermeere und Demokratischen
Offensiven. Das nenne ich den Maßstab des Antirassismus. (...) Antirassismus
ist eine Handlung, die das Herz der nationalstaatlich organisierten Gesellschaften
trifft. Da liegt das Geheimnis der Teilnahmeverweigerung. Mann/Frau spricht
in diesem Zusammenhang gern von konsequenter Verweigerung dem Machtapparat
gegenüber. (...) Die Wirkung einer antirassistischen Handlung lässt
sich nicht nur aus der unmittelbaren Wirkung derselben ableiten. Beim Antirassismus
spielt die unmittelbare Wirkung nur die Rolle eines Wegweisers in eine von
Zwängen befreite Gesellschaft. Es geht hier mehr um das utopische Fundament,
das im Antirassismus als Ideologie auf jeden Fall größer ist als
im Alltag. So wollen viele auch etwas von diesem Hauch der Befreiung mitbekommen.
Ihre Machtpositionen aber wollen sie am liebsten behalten, und wenn es geht
auch ausbauen. In diesem Punkt geraten sie in Konflikt mit Antirassismus.