Achtung!Kommende Gerichtsverhandlungen als Folge der "Operation Spring":
19.9. gegen Anthony Onyeij, Saal 305, 9 Uhr.
20.9. gegen Daniel Toni, Saal 205, 9 Uhr.
Landesgericht 1 für Strafsachen, Eingang Wickenburggasse, 1080 Wien

 

"Warum auch schreien, wenn der Schrei im Nichts verklingt?"

Aus: An diejenigen... (1999) von Obiora Charles Ofoedu

Es war früh am Morgen, wenn der Schlaf am süßesten ist. Plötzlich ein seltsames Krachen an der Tür. Als ob jemand kämpfen würde. Oder als ob eine Räuberbande angegriffen und mein Vorzimmer erobert hätte. Ich war aus dem Schlaf aufgeschreckt, den Kopf leer, sprang auf, der Schlafzimmertür zu. Davor stand eine Gruppe schwerbewaffneter Menschen. Polizisten. Mein Herz blieb stehen, als ein Dutzend von ihnen über mich herfiel, mich auf das Bett zurückwarf, mir Handschellen anlegte.

So beginnt das Buch "Morgengrauen", in dem Obiora Charles Ofoedu seine Erlebnisse als vermeintlicher "Drogenboss" beschreibt. Am 27. Mai 1999 war er im Zuge der "Operation Spring" verhaftet und für drei Monate in Untersuchungshaft genommen worden. Bis heute geistert er als "Drogenboss Charles O." durch die Medien, die mit ihrem Urteil über ihn schnell fertig waren. Wenn es stimmt, daß unter jenen in der Nacht auf gestern festgenommenen Drogendealern auch welche darunter waren, die vor dem Innenministerium mit verklebtem Mund gegen Schlögl und die "Mörderpolizei" demonstriert haben, dann ist das Lügengebäude von den ach so unterdrückten, schützenswerten "Asylanten" endgültig zusammengebrochen. (Peter Gnam, Kronen Zeitung, 28.5.99) Mit einem Plakat des tragisch ums Leben gekommenen Marcus Omofuma demonstrierte der Boß des nigerianischen Drogenkartells mit seinen "Untergebenen" vor dem Innenministerium gegen angebliche Polizei-Übergriffe. Sogar bei dieser Demo soll mit Rauschgift gehandelt worden sein. (Kronen Zeitung, 29.5.99) Sollte Charles O. (...) tatsächlich der Kopf des Drogenrings sein, dann hat er sich in seinen Wiener Jahren eine perfekte Doppelexistenz aufgebaut. (...) O. trug keinen Reichtum zur Schau. Im Gegenteil: Der Mann war für seine notorische Geldnot bekannt. (Format, 31.5.99) Charles O., 39, genannt der "Generaldirektor", unumstrittene Nummer eins in der Konzern-Hierarchie. (News, 22/99)

Nach drei Monaten Haft mußte Charles Ofoedu wegen Mangel an Beweisen freigelassen werden. Sämtliche gegen ihn als "Drogenboss" bzw. gemäß Suchtmittelgesetz (SMG) angestrengten Verfahren mußten eingestellt werden. Nur eine Sache blieb übrig: der Vorwurf der Beteiligung an einer kriminellen Organisation in Form von Geldwäsche, der sich auf vier Sparbücher und auf Geldüberweisungen nach Nigeria stützt, die der hilfsbereite Ofoedu für Landsleute getätigt hatte, die wegen fehlender Ausweispapiere keine Auslandsüberweisungen machen konnten. Interessant ist der Passus der "kriminellen Organisation" hier übrigens auch deshalb, weil in allen Verfahren der "Operation Spring" bisher keine einzige Verurteilung wegen organisierter Kriminalität ausgesprochen wurde. Die Verurteilungen zu teilweise sehr hohen Haftstrafen (auch für mehrere Jugendliche) wurden gemäß SMG ausgesprochen. Dennoch war es in den Verfahren immer wichtig gewesen, mit wem die Beschuldigten angeblich Kontakt hatten, ob darunter einer der "Bosse" war, wie oft sie an Demonstrationen gegen Polizei-Gewalt teilgenommen hatten ­ das alles diente der Einstufung als "Großdealer" oder "Kleindealer". Nun soll offensichtlich versucht werden, vom gänzlichen Misserfolg der "Operation Spring" abzulenken und das einzig in den Gehirnen der Staatsgewalt existierende "nigerianische Drogenkartell" zur Faktizität werden zu lassen, indem Charles Ofoedu doch noch als Beteiligter einer kriminellen Organisation verurteilt, ins Gefängnis geworfen und danach abgeschoben wird. Das befürchteten auch jene DemonstrantInnen, die sich am Mittwoch, den 6. September 2000, vor Prozessbeginn vor dem Landesgericht Wien einfanden und gegen die rassistisch agierende Justiz auftraten. Die Vereinigung österreichischer Staatsanwälte und auch die Richtervereinigung sahen darin sogleich eine "versuchte Einflussnahme auf gerichtliche Entscheidungen". Die Grüne Klubobfrau Madeleine Petrovic, die sich an der Demo beteiligt hatte, meinte, die Justiz müsse sich die Frage schon gefallen lassen, ob bei diesen Prozessen wirklich die selben Spielregeln gelten wie etwa bei PolitikerInnen oder BankerInnen, und verwies als Beispiel auf den rechtlich äußerst fragwürdigen Einsatz von anonymisierten ZeugInnen bei Prozessen gegen AfrikanerInnen, zu dem es noch in keinem anderen österreichischen Verfahren je gekommen ist.

Beim Prozess gegen Ofoedu war schließlich von 910.000 Schilling die Rede, die er in den letzten zwei Jahren vor seiner Verhaftung insgesamt überwiesen habe. Sein Anwalt wies darauf hin, dass das für einen internationalen Drogenring "ein mickriger Gewinn" gewesen wäre und dass Ofoedu diese Überweisungen als Hilfeleistung angesehen und sie von sich aus eingestellt hatte, nachdem er nicht mehr sicher war, woher manche dieser Gelder wirklich stammten. Charles Ofoedu selbst warf der Polizei vor, seine Vernehmung damals alles andere als korrekt ausgeführt zu haben. Er sei im Dialekt befragt worden und habe die Polizisten kaum verstanden. Erst am Schluss sei eine Dolmetscherin gekommen. Seine Brille, ohne die er fast nichts sieht, sei in seiner Wohnung beschlagnahmt worden (er hat sie bis heute nicht mehr zurückbekommen), weshalb er kaum lesen konnte, was er bei der Polizei unterschreiben mußte. Diese Fakten brachten die zuständige Staatsanwältin, die in ihrem Eröffnungsplädoyer nur über das angebliche Drogenkartell im berüchtigten China-Restaurant "Willkommen" gesprochen hatte, in Bedrängnis. Sie begann davon zu sprechen, dass Ofoedu in jenem Restaurant gewesen sei und dass Leute von dort ihn mit "Chief" angesprochen hätten. Es konnte daraufhin leicht festgestellt werden, dass die Anrede "Oga" in Igbo nichts anderes als "Herr" und nicht "Chef" bedeutet. Die ersten beiden Zeuginnen der Anklage konnten Ofoedu dann nicht belasten. Die eine, die extra aus Nigeria eingeflogen wurde, konnte ein bestimmtes Abhörprotokoll nicht bestätigen und sagte aus, sie kenne den Angeklagten nicht. Die andere, die aus der Haft vorgeführt wurde, entschlug sich der Aussage. Der Prozess wurde auf Ende Oktober vertagt, da der berüchtigte Anonyme Zeuge 1 (AZ1) zum ersten Termin nicht hatte erscheinen können und sich der Richter von ihm mehr erwartet. AZ1 behauptete vor der Polizei nämlich, Ofoedu in dem China-Restaurant am "Tisch der Bosse" gesehen zu haben.

Das Verhängnis des Obiora Charles Ofoedu in Österreich hatte damit begonnen, dass er sich aufopfernd für Gerechtigkeit für Marcus Omofuma eingesetzt hatte, dass er Menschen von überall her mobilisierte für die Demonstrationen gegen eine Polizei und eine Staatsmacht, die einen ihr anvertrauten Menschen bei seiner Abschiebung umbringen konnte, ohne wenigstens die Konsequenzen daraus zu ziehen. Während dieser Zeit wurde er bereits observiert. Wie geriet er ins Visier der Lauschangreifer? Was war an seinem Verhalten auffällig? Oder fiel nur seine Hautfarbe auf und die Hautfarbe jener Menschen, die er traf und jener, für die er sich einsetzte? Wie eben Marcus Omofuma, dessen Todesumstände in Österreich offiziell noch immer als ungeklärt gelten.

Genauere Informationen unter: www.illegalisiert.at Dort werden auch laufend Prozesstermine der "Operation Spring" angekündigt. WATCH OUT! Eine Öffentlichkeit, die sich als aufmerksame BeobachterInnen in Gerichtssälen einfindet, erhöht die Wahrscheinlichkeit von fairen Verfahren!