->Europäische Menschenrechtskonvention

->Versammlungsgesetz

->Versammlungsrecht-Judikatur des Verfassungsgerichtshofs

->Voraussetzungen zur Auflösung von Versammlungen

->nicht-angemeldete Versammlungen

->Verbot von Versammlungen

->Pflichten des Veranstalters/der Veranstalterin

->Auflösung von Demonstrationen

->Einsatz von Zwangsmitteln

->Gewalt seitens der Behörde

 

Europäische Menschenrechtskonvention

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EMRK - BGBl. 210/1958

Artikel 11 - Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

(1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten.

(2) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder

des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, daß die Ausübung dieser Rechte durch Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird.

 

Versammlungsgesetz

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BGBl. 98/1953 idF BGBl. 69/1965, 392/1968 und 201/1996

§ 1. Versammlungen sind nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gestattet

§ 2. (1) Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

(2) Die Behörde hat auf Verlangen über die Anzeige sofort eine Bescheinigung zu erteilen. Die Anzeige unterliegt keiner Stempelgebühr.

§ 3. aufgehoben

§ 4. Versammlungen der Wähler zu Wahlbesprechungen, dann zu Besprechungen mit den gewählten Abgeordneten sind von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen, wenn sie zur Zeit der ausgeschriebenen Wahlen und nicht unter freiem Himmel abgehalten werden.

§ 5. Ferner sind öffentliche Belustigungen, Hochzeitszüge, volksgebräuchliche Feste oder Aufzüge, Leichenbegängnisse, Prozessionen, Wallfahrten und sonstige Versammlungen oder Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus, wenn sie in der hergebrachten Art stattfinden, von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen.

§ 6. Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.

§ 7. Während der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung

oder ein Landtag versammelt ist, darf im Umkreis von 300 m von ihrem

Sitze keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden.

§ 8. Ausländer dürfen weder als Veranstalter noch als Ordner oder Leiter einer Versammlung zur Verhandlung öffentlicher Angelegenheiten auftreten.

§ 9. An den im § 2 erwähnten Versammlungen dürfen Bewaffnete nicht teilnehmen.

§ 10. Adressen oder Petitionen, die von Versammlungen ausgehen,

dürfen nicht von mehr als zehn Personen überbracht werden.

§ 11. (1) Für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung haben zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen.

(2) Sie haben gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen sofort entgegenzutreten. Wenn ihren Anordnungen keine Folge geleistet wird, ist die Versammlung durch deren Leiter aufzulösen.

§ 12. Der Behörde steht es frei, zu jeder Versammlung der im § 2 erwähnten Art einen, nach Umständen auch mehrere Vertreter zu entsenden, denen ein angemessener Platz in der Versammlung nach ihrer Wahl eingeräumt und auf Verlangen Auskunft über die Person der Antragsteller und Redner gegeben werden muß.

§ 13. (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§ 16 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.

(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.

§ 14. (1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

§ 15. Die Anordnungen der §§ 13 und 14 gelten auch für öffentliche Aufzüge.

§ 16. Unter der in diesem Gesetz erwähnten Behörde ist in der Regel zu verstehen:
a) an Orten, die zum Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde
gehören, diese Behörde;
b) am Sitze des Landeshauptmannes, wenn sich dort keine
Bundespolizeibehörde befindet, die Sicherheitsdirektion;
c) an allen anderen Orten die Bezirksverwaltungsbehörde.

§ 17. Bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist jedoch auch jede andere Behörde, die für deren Aufrechterhaltung zu sorgen hat, berechtigt, eine Versammlung, die gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet oder abgehalten wird, zu untersagen oder aufzulösen, wovon die nach § 16 zuständige Behörde immer sogleich zu verständigen ist.

§ 18. Über Berufungen gegen Verfügungen der Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen entscheidet die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz. Über Berufungen gegen Verfügungen der Sicherheitsdirektionen gemäß § 16 lit. b entscheidet der Bundesminister für Inneres.

§ 19. Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 5000 S zu ahnden. (BGBl. Nr. 241/1932, Art. V;

BGBl. Nr. 50/1948, § 1 Abs. 1 lit. b.)

§ 20. Das Bundesministerium für Inneres ist mit dem Vollzug dieses Gesetzes betraut

§ 21. § 18 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 201/1996 tritt mit 1. Juli 1996 in Kraft.

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Versammlungsrecht-Judikatur des Verfassungsgerichtshofs

 

Voraussetzungen zur Auflösung von Versammlungen

nicht-angemeldete Versammlungen

(VfSlg.10443/85)

Eines der wesentlichsten Elemente des Versammlungsrechtes ist das Recht, daß die Versammlung nicht gegen den Willen ihrer Veranstalter aufgelöst wird. Für eine behördliche Versammlungsauflösung muß also ein zureichender Grund vorliegen.

Unter welchen (weiteren) Voraussetzungen die Auflösung einer unter Verletzung der Anzeigepflicht veranstalteten Versammlung zulässig ist, welche Umstände also zur Mißachtung des §2 Abs1 VersG hinzutreten müssen, um zur Versammlungsauflösung zu ermächtigen, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalles zu beurteilen.

Das im jeweiligen Fall rechtmäßige Verhalten der Behörde ist vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit zu beurteilen. Dieses Grundrecht ist in mehreren auf Verfassungsstufe stehenden Rechtsvorschriften verankert, insbesondere durch Art12 StGG, durch Punkt 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl. 3, und durch Art11 MRK.

Zu untersuchen ist, ob die positive Rechtsordnung eine Richtlinie enthält, unter welchen Voraussetzungen die Behörde eine Versammlung auflösen darf. Nach Art11 Abs1 MRK haben alle Menschen das Recht, sich friedlich zu versammeln. Art11 Abs2 dieses völkerrechtlichen Vertrages erlaubt aber den vertragschließenden Staaten, unter bestimmten Voraussetzungen von diesem Grundsatz abzugehen: "Die Ausübung dieser Rechte" (darunter des Versammlungsrechtes) "darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind." Dieser staatsvertragliche (materielle) Gesetzesvorbehalt, wie er im Art11 Abs2 MRK umschrieben wird, gilt auch im innerstaatlichen Bereich und leitet die Vollzugsorgane an, wann sie einen zureichenden Grund für eine Versammlungsauflösung annehmen dürfen (vgl. hiezu das die Ermächtigung der Behörde, einen Verein aufzulösen, betreffende Erk. VfSlg. 8090/1977).

Die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in der zitierten Konventionsnorm aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre.

Ob solche Umstände vorliegen, hat das Behördenorgan nach dem Bild zu beurteilen, das sich ihm an Ort und Stelle bietet. Dies muß der Veranstalter, der seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist, gegen sich gelten lassen; er hat in Kauf zu nehmen, daß kein eigentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt werden kann und daß es der Behörde in der Regel auch nicht mehr möglich sein wird, allenfalls erforderliche, den ungehinderten Ablauf der Versammlung sichernde Vorkehrungen zu treffen, etwa solche, die dem Schutz der Versammlung vor Gegendemonstrationen oder der Umleitung des Straßenverkehrs dienen (vgl. hiezu das Erk. VfSlg. 9103/1981, in dem die Angabe der Aufmarschroute in der Versammlungsanzeige als essentiell behandelt wurde, dies offenkundig deshalb, weil die Kenntnis dieses Weges aus den soeben erwähnten Gründen für erforderlich erachtet wurde).

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Verbot von Versammlungen

(VfSlg. B1801/98)

Gemäß §6 VersG sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde (§16 VersG) - bescheidmäßig - zu untersagen.

Die Behörde ist hiezu jedoch nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der im Art11 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist. Die Behörde hat, wenn sie eine Untersagung der Versammlung in Betracht zieht, die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die im Art11 Abs2 EMRK aufgezählten öffentlichen Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen (vgl. VfSlg. 10443/1985, 12257/1990). Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Untersagung der Versammlung vorliegen, ist in einer sogenannten "Prognoseentscheidung" zu lösen. Die Behörde hat nämlich aufgrund konkret festgestellter, objektiv erfaßbarer Umstände zu prognostizieren, ob und weshalb bei Abhaltung der Versammlung etwa die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet werden (vgl. z.B. VfSlg. 5087/1965, 6530/1971, 6850/1972, 8610/1979, 11832/1988, 12155/1989, 12257/1990). ...

c) Die Einschätzung der Behörde, die Versammlungsanzeige habe den geplanten Versammlungsort derart unscharf angegeben, daß - für den Fall der Nichtuntersagung - die Versammlung zur selben Zeit und am selben Ort wie das "EU-Fest" hätte stattfinden können, war ebenso zutreffend, wie die daraus implizit gezogene Schlußfolgerung, daß in diesem Fall mit Grund eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles zu befürchten gewesen wäre.

Die Behörde war nicht berechtigt, von sich aus die Versammlungsanzeige zu ändern, zu modifizieren oder zu konkretisieren. Sie hatte die Versammlung - wie sie angezeigt wurde - entweder zur Gänze zu untersagen oder zur Gänze nicht zu untersagen. Wenn die Behörde meinte, auch nur eine der Modalitäten der beabsichtigten Versammlung (etwa der Kundgebungsort) sei derart, daß eines der im Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet würde, hatte sie die Versammlung zu untersagen; hätte sie die Untersagung unterlassen, so wäre die Versammlung in der angezeigten Form erlaubt gewesen.

Sieht sich die Behörde veranlaßt, nur wegen eines einzelnen bestimmten Umstandes die Untersagung auszusprechen, so hat sie zuvor den Veranstalter darauf aufmerksam zu machen und ihm die Änderung der Versammlungsanzeige nahezulegen (VfSlg. 9103/1981).

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Pflichten des Veranstalters/der Veranstalterin

 

(VfSlg. 14869/97)

Aus §11 VersG 1953 ergibt sich die (unter Verwaltungsstrafsanktion stehende) - primär den Leiter der Versammlung treffende - Pflicht, für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zu sorgen; dies auch dann, wenn es sich - wie hier - um eine allgemein zugängliche, unter freiem Himmel stattfindende Versammlung handelt. Als zur Leitung und Ordnung der Versammlung berufene Person gilt bis zu einem allfälligen anderslautenden Beschluß der Versammelten der Versammlungsveranstalter (ist dieser eine juristische Person: deren verantwortliches Organ). Wenn er es zur Erfüllung der geschilderten Aufgaben für erforderlich hält, hat er ausreichend Ordner zu bestellen, die ihn bei Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen.

Diese Regelung liegt auch im Interesse der Versammlungsfreiheit. Solange nämlich der Leiter und die Ordner ihren Aufgaben nachkommen, bleibt die Wahrung des Gesetzes und die Aufrechterhaltung der Ordnung im autonomen Bereich des Versammlungsveranstalters.

...

Der Veranstalter und Leiter einer Versammlung hat die Pflicht, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um deren legalen Verlauf zu sichern. Er hat sich ernsthaft darum zu bemühen, daß die Versammlung gesetzmäßig abläuft und daß Rechte und Freiheiten von Personen, die nicht an der Versammlung teilnehmen, möglichst wenig beeinträchtigt werden, daß also die Versammlungsfreiheit nicht zu Lasten Dritter mißbraucht wird.

Nur wenn sich der Leiter der Versammlung - ungeachtet sinnvoller und zumutbarer Bemühungen - gegenüber den Teilnehmern der Versammlung nicht durchsetzen kann, ist er verhalten, behördliche Assistenz anzufordern oder selbst die Versammlung aufzulösen (s. §13 VersG 1953).

 

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Auflösung von Demonstrationen

Einsatz von Zwangsmitteln

Gewalt seitens der Behörde

 

(VfSlg. 14 761/96)

In Beurteilung der hiebei erfolgten - grundsätzlich als gerechtfertigt angesehenen - Anwendung von Zwangsmitteln kam die belangte Behörde zum Schluß, der Einsatz von Körperkraft im Zuge eines sicherheitsbehördlichen Einschreitens sei zwar gesetzlich nicht geregelt, doch müsse in Analogie der tragenden Prinzipien des Waffengebrauchsgesetzes und des Sicherheitspolizeigesetzes, insbesondere der §§4 bis 6 des zuerst genannten sowie §29 des zweitgenannten Gesetzes, das Verhältnismäßigkeitsprinzip herangezogen werden. Erlaubt sei in concreto, wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 12501/1990 ausgeführt habe, die "jeweils gelindeste noch zum Ziel führende polizeiliche Maßnahme". In diesem Sinne sei die Vorgangsweise der Beamten bei der Festnahme der Beschwerdeführerin nicht überschießend gewesen, habe es diese doch selbst zu vertreten, "daß sie infolge ihrer konsequenten Weigerung schließlich im Kollektiv vom Versammlungsort entfernt und damit mehr geschleift als getragen bzw. bloß beim Gehen gestützt werden mußte, sodaß die Ränder der Betonröhren (an die sie sich mit vier anderen Aktivisten gekettet hatte) schmerzhaft gegen ihre Oberarme drückten". Zudem hätten die Beamten besonders sorgfältig darauf geachtet, ihr nicht die Arme zu brechen. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachte Behauptungen über Mißhandlungen seien jedoch offenkundig verspätet.

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(VfSlg. 11095/85)

Das Versetzen von Fußtritten (vgl. hiezu auch VfSlg. 10250/1984) stellt unter den gegebenen Umständen eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person dar, welche iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. VfSlg. 8146/1977, 8296/1978) einen Verstoß gegen Art3 MRK beinhaltet.

c) Der Bf. hat sich nach seinem eigenen Vorbringen den behördlichen Anordnungen beharrlich widersetzt, indem er sich auf den Boden setzte und nicht wegging. Dieses Verhalten des Bf. zeigt deutlich, daß es für die Beamten sehr schwierig war, die Auflösung der Versammlung durchzusetzen. Angesichts des nachhaltigen (passiven) Widerstandes des Bf. (und offensichtlich vieler anderer Versammlungsteilnehmer) war die Anwendung von Körperkraft in der Form des Hinabdrängens vom Damm schon von der Intention her auf den Zweck der Amtshandlung (Auflösung der Versammlung ), nicht aber gegen die Menschenwürde gerichtet.

In Anbetracht der gesamten Situation und der beharrlichen Haltung einer großen Anzahl von Manifestanten, der sich die Beamten gegenüber sahen, kann auch nicht in Abrede gestellt werden, daß die Vorgangsweise der Beamten an sich maßhaltend war, um so die Befolgung der behördlichen Anordnung zu erreichen. Dem Verhalten der Beamten lag hiebei - worauf wiederholend hinzuweisen ist - der Zweck der Amtshandlung, nicht aber eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung der Versammlungsteilnehmer zugrunde (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des VfGH zu Art3 MRK im allgemeinen, zB VfSlg. 9385/1982, S 318 und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie im gegebenen Zusammenhang insbesondere die ähnlichen Erwägungen über das Ziehen an den Haaren sowie heftiges Schieben und Stoßen bei beengter räumlicher Situation und passivem Widerstand des Bf. in VfSlg. 8580/1979, S 446).

Eine solche Vorgangsweise verstößt jedoch, wie der VfGH bereits in seinem Erk. vom 16. Oktober 1986, B91/85 zum Ausdruck gebracht hat, angesichts der damals gegebenen Situation nicht gegen Art3 MRK. Übrigens hat der Bf. sein Vorbringen in der Beschwerde, er sei "schwungvoll" den Damm hinuntergeworfen worden, bei seiner Aussage als Partei nicht bestätigt.

Im übrigen war die Anwendung von Körperkraft zwecks Auflösung der Versammlung durch Organe der bel. Beh. in Form des Hinunterdrängens bzw. Hinunterstoßens vom Damm auch sonst gerechtfertigt. Bei der bereits oben dargestellten spezifischen Situation (beharrlicher passiver Widerstand einer großen Anzahl von Personen, relativ schmaler Damm) ist nicht erkennbar, daß ein durch die behördliche Maßnahme allenfalls eintretender Schaden offensichtlich außer Verhältnis zum Zweck der Amtshandlung stand. Angesichts der örtlichen Gegebenheiten sowie des Umstandes, daß die Anzahl der Versammlungsteilnehmer im Vergleich zu jener der eingesetzten Beamten es offenkundig nicht ermöglicht hätte, die passiv Widerstand leistenden - und sogleich wieder an den Versammlungsort zurückkehrenden - Personen jeweils über eine weitere Strecke wegzutragen, ist auch nicht erkennbar, daß die Auflösung der Versammlung durch ungefährlichere Maßnahmen durchzusetzen gewesen wäre.

5. Es ist daher auszusprechen, daß der Bf. durch die ihm versetzten Fußtritte im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt wurde (s. hiezu oben unter Punkt 4. b) und daß der Bf. durch das inkriminierte Hinunterwerfen über die Böschung weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde (s. hiezu oben unter Punkt 4. c) und die Beschwerde insoweit abzuweisen.

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