Female Pressure in die Wiener Elektronik-Szene, ja bitte
  Unter dem Titel "Wieviel female pressure verträgt die Wiener Szene?" fand am Mittwoch im U4 eine von Malmoe und volkstanz.net veranstaltete Diskussion zwischen weiblichen DJs statt. Auf dem Podium saßen Electric Indigo, GinaNina, DJ Lady Fuzz und die Theater- und Kulturwissenschafterin Katharina Pewny. Auch wenn das Diskussionsmotto diesmal konkreter war als sonst und auf das von Electric Indigo begründete DJ-Netz für Frauen - female pressure - Bezug nahm, so geht es auf diesen Diskussionsveranstaltungen doch prinzipiell immer um das Gleiche: Wieso gibt es so wenige Frauen hinter den turntables? Quälende Frage, auf die neimand eine Antwort weiß. Auch am Mittwoch abend nicht. Die wenigen Frauen, die sowieso schon aktiv sind, werden ständig zu solchen Themenabenden eingeladen und müssen Antworten dafür finden, warum andere Frauen das nicht machen, was sie selbst tun. Schon grotesk, und diese DJs können einem fast Leid tun, immer wieder dieselben Fragen gestellt zu bekommen und dabei nicht den Nerv und die Motivation zu verlieren.
 
 
 
  Trotzdem, auch wenn das Thema immer wieder durchgekaut wird, finde ich es immens wichtig, sich die Situation bewusst zu machen und sie zu hinterfragen. Wieso zum Beispiel sieht man beim Ausgehen zu 95% männliche DJs an den Plattentellern? Warum haben die meisten Leute mindestens fünf (Möchtergern-) DJ-Jungs in ihrem Bekanntenkreis, aber kaum eine Frau? Weshalb lassen so viele Typen ihr gesamtes (Taschen-)Geld für die neuesten Scheiben im Black Market liegen (ich habe letztens mit eigenen Augen gesehen, wie ein ganz junger Spund 4300.- für einen fetten Stapel Platten hingeblättert hat) , wobei Frauen dort überhaupt nur in ganz geringer Dichte anzutreffen sind? Man könnte dafür viele soziologische, psychologische oder auch esoterische Gründe anführen, aber die Wahrheit ist: ich weiß es einfach nicht und verstehe es auch nicht.
 
 
 
 
  Ein Erklärungsansatz wäre die Feststellung, dass wahrscheinlich jedes (pop)kulturell relevante Phänomen aufgrund unserer doch noch eindeutig patriarchalen Gesellschaftsstruktur zunächt erst mal eine Männerdomäne ist und damit von den Frauen erst erobert werden muss, wenn es nicht von vornherein eindeutig weiblich konnotiert ist (wie z.B. Riot Grrrl, was ja aber auch als Reaktion auf Sexismus in der Musikszene entstanden ist). In der Folge haben Burschen mehr reale Vorbilder, denen sie nacheifern können, wobei Frauen sich diese erst mit der Lupe suchen müssen. Genau an dieser Stelle setzt Electric Indigos über das Internet ablaufende Projekt female pressure ein: Hier können sich Frauen eintragen, die auflegen, produzieren oder visuell gestalten, oder einfach nur nachschauen, wer wo was auflegt, so dass ein internationales Netzwerk geschaffen wird.

 
 
  Auf der Diskussion am Mittwoch, die lobenswerterweise die Präsenz der aktiven DJ-Frauen in den Vordergrund stellte, anstatt nur das Defizit an Frauen zu beklagen, war zwar ein Grundkonsens über die gemeinsame Sache und Ziele zu spüren, teilweise gingen die Meinungen der Diskutantinnen und auch des Publikums aber eklatant auseinander. DJ Lady Fuzz beispielsweise fand zwar die Idee eines weiblichen Netzwerkes gut, konnte sich mit dem Namen aber nicht so recht anfreunden, weil "Druck" auf Männer doch gar nichts nütze, das klinge so gemein. Ginanina hingegen fanden den Namen ausgezeichnet, da man als weiblicher DJ einfach Präsenz und Power zeigen müsse. Auf Zurufe einer Frau aus dem Publikum hin, dieses Thema sei öde und eine Sackgasse, man müsse erörtern, ob es eine spezifisch weibliche Sprache beim Auflegen gebe, glitt die Diskussion dahingehend ab, dass beredet wurde, ob Frauen mutiger bzw. experimentierfreudiger als Männer auflegen (die DJs fanden ja) und ob sie verstärkt Platten von weiblichen Artists auflegen (geht relativ schlecht, da es eben so wenige gibt). Meiner Meinung nach überhaupt ein veralteter und falscher Ansatzpunkt, weil man so wieder in überkommene Geschlechterklischees à la "Weiblein sind so, Männlein sind so" abrutscht, die eigentlich in Zeiten wie diesen, in denen die meisten wissen, dass Geschlecht als soziale Kategorie konstruiert ist, obsolet geworden sein sollten. Die Frage, ob weibliche DJs ausschließlich auf women only-Parties auflegen sollten, erhitzte die Gemüter dann so richtig, denn, so der Tenor, zu solchen Entscheidungen Vorschriften zu machen, verdirbt den Spaß - und natürlich möchten heterosexuelle DJ-Frauen wahrscheinlich ab und an bei ihren Gigs auch ein paar Männer sehen.
 
 
 
  Interessant war auch, dass der einzige Mann, der eine Wortmeldung einbrachte, wieder so einen haarsträubenden Unsinn von sich gab, dass es nicht nur mich schüttelte. Wieso sagen denn die vielen vielen okay denkenden Männer nie was, sondern immer nur die Blödiane? Er meinte, dass das Runterleiern von "Ass'n'Titties" u.ä. auf gewissen Ghetto Tech-Platten doch eigentlich eine Liebeserklärung an die Frauen wäre, worauf Electric Indigo fast lachen musste und zurück gab, dass das genau wie in Pornos eine Reduzierung der Frauen auf ihre Sexualmerkmale und damit sicherlich kein Liebesbeweis sei, sondern eine Verdinglichung der Frau.
 
 
 
  Als kleine Anekdote zum Schluss erzählte Gina oder Nina, wie sie einmal bei einem Set gefragt wurde, ob das denn ihre eigenen Platten seien, die sie da auflege! Von diesen eher nervtötenden Episoden hat wahrscheinlich jede DJ-Frau so einige parat... Trotzdem machen sie unbeirrt weiter und sind damit, auch wenn das vielleicht pathetisch klingt, sicher ein Vorbild für andere Frauen. Also, Mädels, klemmt euch hinter die Plattenteller! DJing isn't just for your boyfriend! Außerdem ist es öd, beim Weggehen immer nur Typen auflegen zu sehen. Vielleicht muss man dann bald auch gar nicht mehr über diese blöde Frage nachgrübeln, warum Frauen nicht DJ werden...
 
fm4 links
  Hier der Link zur Site von Electric Indigo und Female Pressure

Female Pressure