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_FLESHMACHINE_ von Critical Art Ensemble 21./22.Nov 97




FLESH MACHINE: A Genexploitation Project
von Critical Art Ensemble (Chicago/USA), Public Netbase t0 Media~Space! 
am 21. und 22. Nov. 1997

   Freitag, 21. Nov. 97, 19.00 - 24.00 Uhr

THEORIE/PERFORMANCE
In einem multimedial inszenierten Vortrag erläutert Critical Art Ensemble
den Kontext der Veranstaltung.

THE CLONING PROJECT I - Sind Ihre Gene "fit" für unsere Gesellschaft?
Im Anschluß an die Performance haben die TeilnehmerInnen die Möglichkeit,
in einer praxisnahen Laborsituation an Testreihen teilzunehmen. Ein
Fragebogen zu genetischen Risikofaktoren ermittelt die grundsätzliche
Eignung der Testpersonen hinsichtlich einer profitablen Vermarktung ihres
Genmaterials.
Geeignete Personen stellen Blut- und Haut-Zellproben für
Laboruntersuchungen zur Verfügung. Zur Auswertung, Analyse und Replikation
steht Spezial-Equipement (Firma Perkin Elmer u.a.) bereit. Die replizierten
Zellproben werden in Kryo-Behältern für den potentiellen Verkauf konserviert.
An erfolgreiche TeilnehmerInnen werden Zertifikate verliehen.

VIRTUAL TERMINATION - Let's kill Baby?
In einem Genlabor in den USA wurden, im Auftrag von Critical Art Ensemble,
mehrzellige Embryos produziert und konserviert, ein Vorgang, der im Umfeld
der profitorientierten Gentechnologie alltäglich ist. 
Die BesucherInnen können entscheiden, ob sie die für die Konservierung
anfallenden Kosten mitfinanzieren und damit das Genmaterial für zukünftige
Marktspekulationen erhalten. Anderenfalls wird die Termination der Embryos
eingeleitet.

LET'S MAKE BABY! I - Sexualaufklärung für das dritte Jahrtausend
Eine CD-ROM Vorführung für Kinder über In Vitro-Befruchtungstechnologien
macht den Besuch der Veranstaltung zu einem Erlebnis für die ganze Familie!

  Samstag, 22. Nov. 97, 14:00 - 19:00 Uhr

THE CLONING PROJECT II - Sind Ihre Gene "fit" für unsere Gesellschaft?
Fortsetzung vom Vortag.

LET'S MAKE BABY! II - Sexualaufklärung für das dritte Jahrtausend
Fortsetzung vom Vortag.




THEORETISCHES UMFELD

Flesh Machine 
Die biotechnologische Forschung und deren Ergebnisse ereignen sich
weitgehend ohne Öffentlichkeit in den Labors profitorientierter Konzerne.
Nachrichten über Fortschritt und Entwicklung einer Technologie, die unsere
Kultur radikal verändern wird, beschränken sich auf sporadische Berichte
von spektakulären Erfolgen im Rahmen konsensfähiger Prestigeprojekte.
(z.B.: Human Genome Project, die Geburt des geklonten Schafes Dolly, die
Geburt eines Spender-Babys durch eine 63jährige Mutter). Die langfristig
relevanten gentechnologischen Entwicklungen dringen in der Regel nicht ins
Alltagsbewußtsein der Gesellschaft. Forschungserfolge werden nicht, wie in
anderen profitablen Wirtschaftszweigen üblich, stolz in der Öffentlichkeit
präsentiert. Das historisch tief verwurzelte Mißtrauen der Öffentlichkeit
gegenüber Forschungsprogrammen, die Ängste vor Menschenzucht,
Rassenhygiene, Zwangssterilisation, Euthanasie schüren, läßt eine
transparente Informationspolitik unpopulär erscheinen.

Maschinen-Code
Im Zentrum der Genforschung steht die Entschlüsselung des organischen
Codes. Ein herausragender Teilerfolg in dieser Hinsicht war die Isolierung
der DNA (Human Genome Project), die in der Folge weiter analysiert werden
kann. Das Wissen über den Aufbau der DNA eröffnet einerseits faszinierende
Möglichkeiten für die Forschung, andererseits -  im Hinblick auf die
Überführung dieses Wissens in die soziale, politische und wirtschaftliche
Praxis - unabsehbare Risiken. Die Frage, welches Wertesystem bei der
Implementierung gentechnologischer Verfahren in den Alltag zum Tragen
kommen soll, wurde nach Auffassung von Critical Art Ensemble bisher nicht
in einer Weise im öffentlichen Diskurs positioniert, wie es Ihrer epochalen
Bedeutung entspräche. Ohne mitlaufende ideologiekritische Reflexion werden
die verschärften Konkurrenzbedingungen des fortschreitenden Kapitalismus zu
einer wettkampforientierten Gesellschaft gentechnologisch manipulierter
Cyborgs führen.

Organische Plattform
In einer auf reibungslose Kommunikationsabläufe spezialisierten Umwelt kann
- im Hinblick auf die wirtschaftliche (rentable) Interaktion - der
menschliche Körper (organische Plattform) mit der neuen
Informationstechnologie (technische Plattform) nicht mehr mithalten. Er
wird im Rahmen der kapitalistischen Reproduktionsbedingungen
kontraproduktiv. Versuche, Personen, die in diesem sozialen Kontext
>versagen<, mit medizinischen Drogen für den Wettbewerb langfristig fit zu
machen, sind gescheitert (Kontraproduktive Neben- und Folgewirkungen). Vor
diesem Hintergrund hat ein Netzwerk von Institutionen mit
Wissensschwerpunkten in Genetik, Zellbiologie, Neurologie, Biochemie und
Embryologie mit der Aufrüstung des menschlichen Körpers begonnen. Angezielt
ist die rationelle Flesh Machine, die Implementierung ökonomischer und
sozialer Kontrollmechanismen im menschlichen Körper.

Menschendesign - das Profitpotential der Zukunft
Dieses Szenario beschreibt bereits Frederick Osborn, einer der führenden
Gentechniker der dreißiger Jahre. Osborn argumentierte, daß in einer
Überflußökonomie im Rahmen der kleinfamiliären Reproduktion nicht die
Quantität sondern die Qualität des Nachwuchses wesentlich wäre. Um den
ökonomischen Erfolg der Aufzucht, Wohlstand und Prestige sicherzustellen,
würden besonders die Mittelschichten bereitwillig alles kaufen, was sie
>fitter< für den Wettbewerb macht.
Gegenwärtig ist die Wirtschaft dabei, den menschlichen Körper als das
Umsatzpotential der Zukunft zu erschließen: Gendiagnostik, Gendesign,
Gentherapie, In Vitro Vertilisation.
Damit wird der Körper der Zukunft nicht jene flüssige, sich frei
gestaltende Entität wie sie im Cyberdiskurs vorhergesagt wird, sondern eine
zweckorientierte maschinelle Einheit.


BIOGRAPHIE, BIBLIOGRAPHIE

Critical Art Ensemble

Critical Art Ensemble (CAE) ist ein Kollektiv von fünf Künstlern
verschiedener Kunstrichtungen: Computerkunst, Film/Video, Fotografie, Text-
und Buchkunst, Performance. 
Seit seiner Gründung 1987 konzentriert sich CAE auf die Erforschung der
Schnittstellen zwischen Kunst, kritischer Theorie, Technologie und
politischem Aktivismus. Für seine Auftritte nutzt CAE ein breites Spektrum
kultureller Umfelder, wie Bars, Clubs, Gemeinschaftszentren, öffentliche
Räume, Universitäten, Galerien, Museen, Radio, Fernsehen und Internet. Sie
realisieren ihre Projekte in Form von subversiven Straßenaktionen,
Rauminstallationen, Video, Print, Performances, Hypertextformen in
elektronischen Medien...

Ausgewählte Publikationen:
The Electronic Disturbance, by Autonomedia, 1994
Electronic Civil Disobedience and Other Unpopular Ideas. Autonomedia, 1995
Flesh Machine: Cyborgs, Designer Babies and New Eugenic Consciousness wird
im November 1997 erscheinen und voraussichtlich im Rahmen der Veranstaltung
präsentiert.
Zum Großteil finden Sie die Publikationen auf der CAE Website (ohne
Copyright):
<http://mailer.fsu.edu/~sbarnes> 

Ausgewählte Performances und Ausstellungen:
1997	"True Crime." Museum Do It. The Cranbrook Museum. Bloomfield Hills,
Notre Dame 
University and Palo Alto Cultural Center
"Workspace On-line." Hybrid Workspace, Documenta X, Kassel.
(performance, CD-ROM demonstration, and web site tour), Mirrored Rituals.
Documenta Video Library. Documenta X. (group screening), "Nettime Radio."
Radio Frei Kassel (88.9)
"Flesh Frontiers." Transmedia Festival. Berlin, Germany, Ljubljana Digital
Media Lab

1996	"Machineworld." Telepolis. Munich, Germany. (web project)
"Machine News." Der Standard. museum in progress, Vienna.
"Image Transfer," E~Scape. Museum of Applied Arts, Vienna.
"Shareholders' Briefing," Austrian Triennial of Photography, Graz
"The Cyborg Project," The Next Five Minutes. Rotterdam/Amsterdam,

Ausgewählte Artikel:
1997	"Biotechnologische Schnittstellen." Springer. October-November.
"The Technology of Uselessness." Digital Delirium. New York: St. Martins Press
"Eugenic Visions." Coil. No. 4.
1996	"Tactical Media." Radical Images. Katalogbeitrag Fotografie-Triennale,
Graz
"Nine Theses Against Monumentalism." Random Access: Ambient Fears.
London: Rivers Oram Press.

Theorie- und Diskussionsbeiträge:
1997	The Art of Cloning." Panel, The Warhol Museum of Art. Pittsburgh, PA.
"Nettime." Panel, ZKPK. Public Netbase, Vienna, Austria.
"The Politics of Biotechnology." Backspace Gallery, London.




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fon: +43 1 522 18 34 
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